Ab einem gewissen Alter ist es ganz normal: sich Informationen über das Thema Sexualität zu suchen, ist bei Jugendlichen Bestandteil einer normalen Entwicklung. In der Pubertät wächst die Neugierde – das war schon immer so! Allerdings sind die Möglichkeiten, sich Information zu beschaffen, vielfältiger geworden. Nicht zuletzt durch das Internet.
Sexualität 2.0
Hat sich die Sexualität junger Menschen in den letzten Jahrzehnten verändert? Die Meinungen dazu gehen auseinander. Die einen meinen, dass sich das tatsächliche Sexualverhalten nicht geändert hat, die anderen meinen, dass die Möglichkeiten des Internet und der sozialen Medien sehr wohl ihre Spuren in der tatsächlich ausgelebten Sexualität der Pubertierenden hinterlassen. Beides ist wahr.
Verändertes Sexualverhalten?
Das Durchschnittsalter für das „Erste Mal“ ist seit mehr als dreißig Jahren nahezu unverändert und liegt bei etwas über 16 Jahren. Aber Fakt ist auch: das Internet bietet Jugendlichen neue Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten zu diesem Thema.
Das Web ist eine besonders beliebte Quelle für Recherchen aller Art. Es liefert anonym rasche Informationen und detaillierte Antworten auf brennende Fragen. Doch im Netz stoßen Kinder und Teenager nicht nur auf seriöse Informations- und Beratungsseiten. Ein Link führt zum nächsten und Google machts noch einfacher: rasch kann man auf Seiten mit pornografischen Darstellungen – oder noch ’schlimmerem‘ – landen.
Auch sind Heranwachsende rasch mit Phänomenen wie sexueller Anmache und Sexting konfrontiert. Jugendlichen fällt es zu Beginn ihrer sexuellen Reife oft schwer, derartige Inhalte richtig einzuordnen und zu bewerten. Zudem gibt es oft Gruppendruck seitens der Älteren – und wer will in diesem Alter schließlich nicht ‚dabei sein‘.
Wissen ist Macht
Wie immer im Leben: Die, die wissen, brauchen sich nichts einreden lassen. Den besten Schutz vor Falschinformation bietet eine von Kleinkindalter an begleitende Aufklärung. Je mehr Wissen zum Thema Sexualität vorhanden ist, desto besser. Ein positiver Zugang zum eigenen Körper und den eigenen Emotionen und ein reflektierter Umgang mit Medien ist eine gute Basis um auch mit überbordenden Informationen umgehen zu können und – bei Bedarf – Grenzen zu ziehen.
Exkurs: Was wollen Jugendliche eigentlich wissen?
- Wie verhalten sich Erwachsene in ihrer Sexualität?
- Was muss ich alles über Sex wissen, um als erwachsen und informiert zu gelten?
- Wie läuft das mit dem Sex ganz konkret ab?
- Was bedeutet Lust und wie fühlt sich das genau an?
- Wie „funktionieren“ Frauen und Männer konkret in ihrer Sexualität?
- Was ist dran an den Mythen und Gerüchten, die man zum Thema Sexualität hört und liest?
- Stimmt das, was mir Erwachsene über die Sexualität bisher erklärt haben?
- Wie muss ich mich verhalten, um eine sexuell erwachsene, attraktive Frau zu sein?
- Wie muss ich mich verhalten, um ein sexuell erwachsener, attraktiver Mann zu sein?
Durch diese Fragen, bzw. deren Beantwortung erfahren Jugendliche etwas über sich und das Erwachsenwerden. Sie wollen einen Zusammenhang zu eigenen Erfahrungen herstellen und konkrete Antworten erhalten. Das Suchen nach Informationen zum Thema Sexualität entspringt einem ganz natürlichen Interesse und dem Bedürfnis nach persönlich brauchbarem Wissen. Scham ist hier Fehl am Platz! Je offener Sie mit Ihren Kindern sprechen, desto weniger sind diese auf Wissen aus zweiter Hand angewiesen.
„Sexualität und Internet“
Der vom Familienministerium herausgegebene Elternratgeber „Sexualität & Internet“ unterstützt Erziehende beim kompetenten Umgang mit dem Thema. Der Ratgeber gibt einen Überblick über unterschiedliche Formen sexueller Inhalte im Internet und Tipps zur Internetsicherheit. Schließlich besteht ja auch die Möglichkeit bestimmte Seiten über Filter sperren zu lassen.
Exkurs: Filter und technische Hilfsmittel am Familiencomputer
Bei kleineren Kindern können technische Schutzmaßnahmen wie Filter eine sinnvolle Maßnahme sein, falls Ihr Kind im Internet surfen darf, und Sie nicht ständig daneben sitzen. Installieren Sie solche Programme zeitgerecht und prophylaktisch. Kinder stoßen meist unabsichtlich auf einschlägige Seiten; ein Tippfehler oder ein pop up oder spam mail reichen oft schon aus, und ‚es‘ ist passiert. Kostenlose Filterprogrammen oder andere Sicherheitsvorkehrungen schützen vor unerwünschten Inhalten!
Doch je älter die Kinder desto eher müssen Sie damit rechnen, dass sie auch gezielt nach ‚Sexseiten‘ suchen. Je interessanter das Thema wird, desto eher werden Kinder Möglichkeiten finden, Sperren zu umgehen. Ob am Handy oder bei Freunden – das Internet bietet ungezählte Gelegenheiten. Doch was dann, um Kinder vor sich selbst und anderen zu schützen?
Sexuelle Belästigung im world wide web
Bei sexueller Belästigung im Web sind Filter generell wirkungslos. Und die Möglichkeiten der sexuellen Belästigung sind vielfältiger geworden. Das Perfide an sexueller Belästigung im Netz: die Täter versuchen über einen langen Zeitraum hinweg geduldig das Vertrauen des potenziellen Opfers zu gewinnen. Sie sind ‚Jugendkultur-Experten‘, haben die Sprach der Kids ‚drauf‘ und können ‚mitreden‘ ohne aufzufallen.
Damit Sie auch hier informiert sind und mit Ihren Kindern darüber reden können – die wichtigsten Fachbegriffe in aller Kürze:
Sexting
Das Wort ‚Sexting‘ setzt sich zusammen aus „Sex“ und „texting“. Letzteres bedeutet auf Englisch so viel wie SMS oder Nachrichten zu versenden. Sexting – ein weit verbreiteter Trend. Messenger-Apps wie Tinder, Snapchat, Squawk, etc. machen’s möglich, doch was ist Sexting eigentlich?
Mädchen räkeln sich spärlich bis kaum bekleidet sexy vor dem Smartphone, die Bursche posieren aufreizend und manchmal auch nackt – die Muskeln angespannt. „Sexting“ steht für das gegenseitige Tauschen von erotischen bzw. sexuell orientierten Fotos und Videos über bestimmte Plattformen oder Apps – meist über das Handy. Der ‚Coolste‘ ist, wer beim Sexting das freizügigste Bild postet.
Einer Untersuchung der University of Philadelphia zufolge gehen mehr als 50 Prozent der Jugendlichen dem Sexting-Trend nach. Oft sehen sie das Senden von freizügigen Bildern an ‚ihre Liebsten‘ als digitalen Liebesbeweis. Ein zweiter Beweggrund für Sexting sind Mutproben und Gruppenzwang. Doch Fotos oder Videos – per Knopfdruck übermittelt – können sich rasant und unkontrollierbar verbreiten.
Für Eltern ist das Thema Sexting fremd und kaum nachzuvollziehen. Eigene Gefühle digital zu dokumentieren ist noch nicht lange möglich. Nur jene, die bereits mit digitalen Medien aufgewachsen sind, finden es selbstverständlich, die eigenen Gefühle digital zu dokumentieren – sei es mit Emojis, Selfies oder eben freizügigen Bilder.
„Sexting kategorisch zu verbieten, bringt nicht viel“, meint Sexualpädagoge Jan Winters. Vielmehr sei das, was verboten sei, erst recht spannend – das habe sich bis heute nicht geändert. Vielmehr sei es wichtig, Sexting offen anzusprechen und die Kinder zu sensibilisieren.
Grooming
Grooming ist die Anbahnung sexueller Kontakte durch Erwachsene an Kinder und Jugendliche; Cyber-Grooming ist demnach dise Anbahnung durch digitale Medien. Meist geben sich Erwachsene als Jugendliche aus und versuchen, sich Vertrauen zu erschleichen und Intimitäten zu entlocken. Die Absicht dahinter: ein reales Treffen. Kommt die richtige Identität der Täter später ans Licht, erpressen die Groomer ihre Opfer sehr häufig. Nur wenn diese ‚weitermachen‘, bleibe das ‚Verhältnis‘ ein Geheimnis; ansonsten drohe öffentliche Bloßstellung.
Fakt ist: Beim Verschicken von Fotos geht die Kontrolle über die Bilder verloren. Und was einmal im Netz ist, bleibt in der Regel auch drinnen und kann nur mit großem Aufwand wieder gelöscht werden.
Pornographie im Netz
Die „Generation Porno“ sei „schlecht aufgeklärt“, „übersexualisiert“, „sexuell verwahrlost“ etc. Tatsache ist aber, dass Jugendliche heute weder ‚früher‘ noch ‚heftiger‘ Sex haben, als die Generation vor ihnen. Pornografische Darstellungen können aber durchaus verunsichern, und die Darstellungen ein falsches Realitätsbild vermitteln.
Besonders wenn Jugendlichen keine darüber hinausgehenden Informationen über realistische Sexualität zur Verfügung stehen. Um zu verhindern, dass Jugendliche das Gesehene als ‚bare Münze‘ nehmen, muss Raum geschaffen werden, auch über diese Darstellungen zu sprechen.
Fazit
Ja, es ist für Kinder und Jugendliche einfacher geworden, sich selbst über Sexualität zu informieren. Doch die Information ist nicht immer sachlich und das Risiko, dass Ihre Kinder trotz ’sicherem Computer‘ auf nicht altersadäquaten Seiten landen, besteht.
Nur die Kompetenz, das Gesehene auch kritisch zu hinterfragen, macht Jugendliche sicher im Umgang mit Freizügigkeit und Sexualität und beschützt sie auch vor sexuellen Übergriffen.
Es ist, wie es immer war: Sexualerziehung kann nicht an Programme oder Institutionen delegiert werden, das „darüber reden“ bleibt die einzige Komponente um die wichtigste Nebensache der Welt als das zu sehen, was sie ist: all-zu-menschlich und nichts wofür man sich schämen muss!
Linktipps:
Aufklärung – ein Leitfaden für Eltern
Warum über Sex reden so schwierig ist
Pornhub & Co. – warum Pornos die Lust killen (können)
Skins Party: Sex wider den Kommerz
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Sexwecan – Seite des Wiener Bildungsservers